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Das "Gottesareal"

Der Beweis, daß Gott lediglich Ausdruck unseres Gehirns ist?

von
übersetzt von Werner Traub

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Die Existenz eines "Gottes-Areals" kann ein wenig die neurobiologischen Abläufe hinter einigen religiösen Erfahrungen erklären, aber es beweist nicht, daß diese Erfahrungen originär im Gehirn entstehen.

Die erste Episode der Serie Through the Wormhole (A.d.Ü.: Durch das Wurmloch) des Science Channels (A.d.Ü.: Wissenschaftskanals) zeigte Michael Persinger, dessen „Gotthelm“ mit schwachen Magnetfeldern den rechten Schläfenlappen anregt, um die Illusion einer Präsenz (A.d.Ü.: Gotteserfahrung) bei dem Träger zu erzeugen. In der Sendung wurde behauptet, daß jeder, der diesen Helm trägt, unabhängig von seinem religiösen Hintergrund, eine „religiöse Erfahrung“ hat, wenn der „Gotthelm“ sein Gehirn stimuliert.

Einige Leute argumentieren, daß dies beweise, daß religiöse oder ekstatische Erfahrungen durch Fehlzündungen von Neuronen verursacht werden. Eine NPR (A.d.Ü.: National Public Radio Inc. [US])-Geschichte zitiert den Neurologen Orrin Devinsky mit der Aussage, daß viele Neurologen vermuten, daß religiöse Gründer Epileptiker waren, die visuelle und auditive Halluzinationen hatten: „Was auch immer am Sinai passiert ist, Moses‘ Erfahrung wurde durch seinen Schläfenlappen vermittelt.“

Dies beweist nicht, daß theistische Religionen falsch sind, sondern setzt deren Falschheit grundsätzlich voraus und versucht, das religiöse Denken wegzuerklären. Wenn durch Anregung eines bestimmten Hirnareals religiös anmutende Gefühle entstehen, soll das dann heißen, daß alle Religionen ein Produkt des fehlgesteuerten Gehirns sind? Das legt allenfalls nahe, daß religiöse Erfahrungen gefälscht werden können. Zu sagen, daß der „Gottfleck“ beweise, daß Gott ein Produkt des Gehirns sei, bedeutet, die Botschaft mit dem Boten zu verwechseln. Um die Analogie des verstorbenen Philosophen und ehemaligen Atheisten Antony Flew zu verwenden, ist es wie bei Menschen auf einer abgelegenen Insel, die ein Radio finden, aus dem Stimmen von Menschen kommen. Sie erforschen und verstehen dann oberflächlich die Funktionsweise des Radios (A.d.Ü.: sie meinen, das Radio erzeugt die Stimmen selbst, weil sie die Funkwellen nicht sehen) und glauben, sie hätten damit die Existenz der Menschen widerlegt, deren Stimmen aus dem Radio kommen (siehe auch meine Rezension zu Flews Buch „There is a God“ (A.d.Ü.: nur auf englisch erhältlich) sowie Gehirnchemie und das Schicksal der Persönlichkeit nach dem Tod).

Insbesondere das Christentum wird durch die Forschung an Gottesarealen nicht widerlegt; Dies liegt daran, daß das Christentum nicht von ekstatischer Erfahrung abhängig ist. Die Behauptungen des Christentums beziehen sich vielmehr auf Ereignisse, die in der Geschichte stattgefunden haben. Zum Beispiel gibt es mindestens 17 Faktoren, die dazu geführt haben, daß das Christentum in der Antike nicht erfolgreich gewesen sein kann, es sei denn, es würde einen unwiderlegbaren Beweis für die Auferstehung Jesu in der Geschichte liefern.1 Die Behauptung eines „Gottesareals“ hat keinerlei Einfluß auf diese historischen Aspekte.

Das Schlüsselereignis des Sühnopfers war auch etwas, das objektiv außerhalb von uns geschah: Das Opfer Jesu ermöglichte es, daß unsere Sünde ihm zugeschrieben wurde (Jsaja 53:6), und sein perfektes Leben ermöglichte es, daß seine Gerechtigkeit auf die Gläubigen übertragen wurde (2 Korinther 5:21), so werden sie von Gott als gerecht betrachtet. Die subjektive Erfahrung der Heiligung oder der Gerechtigkeit der Gläubigen beruht auf diesem objektiven Ereignis der Rechtfertigung. Douglas Moo kommentiert in Bezug auf Römer 5:

„Paulus besteht darauf, daß die Menschen durch Adams Ungehorsam wirklich „Sünder“ wurden, genau wie sie durch den Gehorsam Christi „gerecht“ wurden. … Gerecht zu sein bedeutet nicht, moralisch aufrichtig zu sein, sondern im himmlischen Gericht freigesprochen und von allen Anklagen frei zu sein. Durch die gehorsame Tat Christi wurden die Menschen wirklich gerecht. Aber „Gerechtigkeit“ selbst ist in diesem Zusammenhang ein rechtlicher und kein moralischer Begriff. “

Und es hilft den Atheisten nicht, die Argumente in Bezug auf die Schöpfung zu überwinden, z.B das Intelligent Design in der lebenden Welt und im Universum als Ganzes.

Selbst wenn es wahr wäre, daß das „Gottesareal“ beweisen würde, daß alle religiösen Erfahrungen im Gehirn entstanden und nur dort vorhanden sind, würde dies die Wahrheit der zentralen Ansprüche des Christentums nicht beeinträchtigen. Die einzige wirkliche Lektion, die Christen daraus lernen können, ist, daß die Betonung von subjektiven Erfahrungen anstelle der Wahrheitsansprüche des Christentums und der Beweise für das Christentum gefährlich werden kann (siehe auch Christen, die eher von den Erfahrungen als von der „die Bibel zuerst“ -Ansicht geprägt sind: Es kann gefährlich sein, an die tatsächliche Existenz von Ufos zu glauben).

Außerdem würde das „Gottesareal“ nicht einmal die Wirksamkeit des Gebets, die Wichtigkeit der Anbetung usw. widerlegen. Vielmehr würde dies nur bedeuten, daß unsere Gefühle und Gedanken, wenn wir beten, in unserem eigenen Geist entstehen. Aber auch das ist nicht bewiesen. Das wäre wieder so, wie in dem Beispiel mit dem Radio oben. Wenn man herausfindet wie ein Radio (A.d.Ü.: also das Gehirn) arbeitet, werden die Menschen (A.d.Ü.: also Gott) hinter den Stimmen (A.d.Ü.: also die Gefühle und Gedanken), die man aus dem Radio hört (A.d.Ü.: die ein Christ z.B. betet oder empfindet und evtl. mitteilt), wegdiskutiert. Man könnte sogar argumentieren, daß ein Designer, der eine Beziehung zu seinen Kreaturen möchte, diese so aufbauen würde, daß er leicht mit ihnen kommunizieren kann. Im naturalistischen Verständnis gibt es keinen Gott, und dieses „Gottesareal“ wurde irgendwie durch die Evolution erzeugt. Wäre es nicht ein eindeutiger Nachteil für das Überleben unserer angeblich primitiven Vorfahren gewesen, wenn sie dazu neigten, an einen Geist im Kopf zu glauben, der völlig imaginär war?

Diese ganze Idee riecht nach dem  grundsätzlichen Fehler, einen Glauben widerlegen zu wollen, ohne seine Quelle zu verstehen. Alternativ kann man auch die Argumentation bzgl. dem „Gottesareal“ als Irrtum des „Bulverismus“ charakterisieren. Der Bulverismus2 wird in Glaube an Gott - ein Fall christlicher Wunscherfüllung? erklärt. Der "Gottfleck" beweist nicht, dass Religion "alles in unseren Köpfen" ist; es zeigt höchstens, daß ein bestimmter Punkt in unserem Gehirn auf irgendeine Weise mit religiösen Gefühlen interagiert, und daß religiöse Gefühle in bestimmten Situationen gefälscht werden können. Keines dieser Dinge sollte die Christen überraschen.

Literaturangaben

  1. Holding, J.P., The Impossible Faith, Xulon Press, Florida, USA, 2007. Return to text. Zurück zum Text.
  2. A.d.Ü.: Da es den Artikel derzeit (02/19) nur auf englisch gibt, hier eine kurze Erklärung des „Bulverismus“: Er beruht auf einem einfachen, perfiden Trick, bekannt als „argumentum ad hominem“. Im Englischen spricht man auch von „Bulverism“. Der Ausdruck stammt vom Schriftsteller C. S. Lewis, genauer von seiner fiktiven Figur Ezekiel Bulver, der hörte, wie seine Mutter die Beweisführung seines Vaters, die Summe zweier Seiten eines Dreiecks sei grösser als die dritte Seite, mit den Worten abschmetterte: Du sagst das nur, weil du ein Mann bist. Eine Diskursverweigerung, letztlich die schwerste intellektuelle Verachtung des Anderen. Man könnte sie als Prinzip der versteckten Verunglimpfung bezeichnen. Nicht das, was man sagt, zählt, sondern, wer es sagt. Zurück zum Text.

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